
Am Vorabend hatten wir viele gute Gespräche. Iko meinte, die Begriffe Bestattung, Beerdigung, Beisetzung kämen ihr kaum über die Lippen. Was ist das richtige Wort, wenn man einen so jungen Menschen zu Grabe trägt? Wir diskutieren ernsthaft, ob der Begriff Beisetzung nur gilt, wenn man einen verstorbenen in ein Grab beisetzt, in dem schon jemand liegt, also dazulegt... Pater Georg will dazu auch keine befriedigende Antwort geben.
Was ist der Wert des Lebens, wenn jeder Mensch beliebig hätte bis zur zwölften Woche nach gutdünken "weggemacht" hätte werden können? Schauen wir Menschen mit neuem Maßstab an und denken:"Du bist beliebig!"? Pater Georg stellt uns zu später Stunde diese Denkaufgabe. Mein Versuch, der Frage die Spitze zu nehmen indem ich die Frage umdrehe versandet. Was ist der Wert eines Lebens, wo doch jeder Mensch mintestens eine Mutter hatte, die sich für ihn entschieden hat?
Gestern in der Predigt setzte Georg noch einen drauf, und sagte, der Wert des Lebens sei unermesslich, unabhängig davon ob ein Mensch geliebt wird, ob er Glück hat, ob er Erfolg hat oder ob er ein Tunichtgut ist, ob er star oder schwach ist, weil Gott sich für ihn entschieden hat!
Die kleine Kutsche, die Valentina zur Benedictuskapelle bringt, ist von Martina und Wopi mit Blumen geschmückt und sieht zum Glück nicht aus wie ein Beerdigungswagen! Drei Kinder können vorn sitzen, wärend Valentina in ihrem kleinen, weißen Särglein von Schu hinten sicher verstaut wird. Schu und Iko führen den schwarzweißen Ponyhengst, der sehr brav ist, als spüre er, das er diesmal eine besondere Fahrt macht! Der Hengst ist weiß mit schwarzen Punkten und paßt farblich zu Iko & Schu's Dalmatiner, Wantok, der wie der Blitz rechts und links durch die Büsche saust und den herrlichen Winterausflug genießt..
Die 15 Kinder haben von Onkel Ricky jeder einen rosa oder roten Luftballon in Herzform bekommen, einige haben auch drei und mehr ergattert. Als wir durch den Park ziehen, schwebt über dem ganzen Zug eine Wolke aus Ballons. Bestimmt etwas ungewöhnlich, aber es ist ja auch eine Ungewöhnliche Veranstaltung...
Nach achthundert Metern Spaziergang kommen wir an der Benedictuskapelle mit der Familiengruft an. Wopi hat draußen weiße Blumen gepflanzt und innen haben Omsi und Tante Marie-Ines das offene Grab wunderschön mit herzförmigen Gestecken aus verschiedenen Blumen geschmückt. Die Grabwände sind mit weißen Tuch ausgehängt, an der Stirnseite hängt, rotweiß, unsere Familienfarbe.
Nun ist es soweit. Der tapfere Schu trägt seine Tochter von der Kutsche die fünf Stufen rauf in die Kapelle zu der offenen Grabstelle. Rapho und Lusi spielen Geige und Herr Raab Gitarre. Ich kann kaum mitsingen, hab einen harten Kloß im Hals. Einige Kinder sind mit ihren Ballons ganz nah am Grab. Pater Georg spricht einfühlend, liebevoll, segnet das Grab und Valentina. An zwei weichen, weißen Stoffbahnen läßt Schu mit einem Helfer Valentina in ihr Grab runter. Unfaßbarer Schmerz! Tränen verschleinern mir den Blick, das geht den meißten so. Zuwenig Tempotaschentücher! Jetzt auch noch, wenn ich versuche, meine Eindrücke aufzuschreiben.
Ich sehe Schu, meinen starken, klugen, kleinen Bruder neben Iko, er nimmt ihre Hand. Es geht duch Mark und Bein, meine nächste Familie so traurig zu wissen.
Wo ist Ilona? Sie steht im Hintergrund neben ihrem Vater, mit roten Augen und feuchtem Gesicht, wie die Meißten, und schaut auf Iko, ihre einzge Schwester. Merkwürdigerweise frage ich mich gerade, wie Ilo sich fühlt, die doch die ganzen letzten sieben Monate so nah dabei gewesen ist, die sich aufgerieben hat, Ihrer Schwester beizustehen und sie zu beschützen. Jetzt schaut Omsi zu mir und macht Zeichen, sie hat die dreijährige Ida an der Hand, und möchte das ich mit ihr zusammen an's Grab gehe. Da unten steht die kleine, weiße Wiege mit Valentinas Körper also, es liegen bunte Blumensträußchen und rote und weiße Rosenblätter drauf. Omsi ist beschäftigt Ida zu zeigen, wie man Blumen ins Grab wirft, -Contenance, die Kinder! Mein Versuch zu beten oder wenigstens schnell etwas frommes zu denken schlägt kläglich fehl. Müsli im Hirn! Wir wenden uns zur Tür, aber ich hab das Gefühl, ich kann nicht einfach so rausgehen, da sitzen Iko und Schu mit ihren Kindern am Grab ihrer Tochter! Stelle mich einfach hinter sie, Worte sind sowas von fehl am Platz, krieg eh keinen Ton raus. Jetzt merke ich, das Raphi die ganze Zeit Geige spielt. Haben Lusi und Herr Raab mitgespielt? Ich weiß nicht mehr. Die Kapelle leert sich, die ganze Gesellschaft steht draußen und wartet, was jetzt passiert. Schu erklärt den Kindern, sie dürften auf der Kutsche mit zurückfahren, aber erst lassen wir für Valentina die Luftballons fliegen. Countdown 3-2-1 los! Eine kleine Wolke rosaroter Herzen steigt auf in den grauen, winterlichen Himmel.
Wärend Iko und Shu sich die Zeit nehmen nochmal alleine an das Grab zu gehen, machen wir und auf, zurück ins Haus zu Kaffe und dicker Suppe.
Der Nachmittag vergeht mit Gesprächen, für's leibliche Wohl ist gut und reichlich gesorgt. Die Gesellschaft wird kleiner, intensiver. Am Abend gibt's Pizza und Bier. Tante Marie -Ines hat Geburtstag! Wir feiern sie und singen ihr ein Ständchen.
Moni und Iko sitzen zusammen, die gute Moni, die so vielen Eltern trost spendet. Moni scheint zu wissen, was eine Mutter wie Iko jetzt braucht, sie hört freundlich zu.
Ilona und Tina haben eine SD-Karte mit den Fotos des Tages zusammesgestellt und zeigen diese am späten Abend.
Maxi,
AntwortenLöschenIch finde das zufällig und bin platt....
Du bist ein wunderbarer Onkel, ein toller Bruder und phantastischer Schwager! Ich bin so froh, dass Du so viel und so mit ganzem Herzen bei uns warst!
Danke!
Love u, iko
;-)Ich danke Dir!
AntwortenLöschen